Die Top 3 der Pannen beim Livestreaming (Teil 1)
Fehler passieren. Vor allem beim Livestreaming. Manche bleiben unbemerkt oder "versenden" sich, wie wir es beim Fernsehen jeweils mit einem Augenzwinkern kommentierten. Andere arten in richtig grosse Pannen aus, die sogar zum Abbruch einer Live-Produktion führen können. Ärgerlich dabei: Die meisten Fehler lassen sich mit guter Planung im Voraus verhindern. Wir haben schon viele Adrenalinmomente erlebt und präsentieren deshalb auf livecrew.ch die Top 3 der Pannen beim Livestreaming.
Im ersten Teil dieser Blog-Serie geht es um Fehler rund um Computer-Hardware und Software.
Meine Haupterkenntnis nach mehreren Jahren Livestreaming: Es passieren immer Fehler. Wirklich immer.
Wer ein Businessmodell betreibt, bei dem er ein- bis zweimal pro Woche an demselben Ort Anlässe streamt, die immer etwa nach demselben Schema ablaufen, hat man natürlich schon relativ schnell alle möglichen Fehlerquellen ausgemerzt. Ich spreche hier von fix installierten Streaming-Setups in Newsrooms, Eventlocations oder Kirchen.
Bei unserer Arbeit ist aber jede Live-Produktion ein komplett neues Setup, weil wir massgeschneiderte Streams an wechselnden Locations anbieten. Wir müssen das technische Konzept für den jeweiligen Livestream an die Anforderungen des Kunden und an die Begebenheiten der Location anpassen. Konkret: An einem Tag braucht es nur eine Kamera und einen LiveU-Rucksack – am nächsten dann zwei bediente und drei ferngesteuerte Kameras, ein NDI-Setup sowie einen Audio-Dienstleister, weil fünf Personen auf einer Bühne in einem Podium diskutieren. In all diesen Szenarien tauchen immer wieder drei Knacknüsse auf, die zu Pannen führen können: Probleme mit überlasteten Rechnern, überlasteten Netzwerken, sowie am häufigsten und am ärgerlichsten: Probleme mit dem Ton.
Panne 1: Überlastete Computerhardware
Was haben wir schon erlebt mit Computern! Da hat man in einen der leistungsstärksten Rechner überhaupt investiert, doch plötzlich passieren Dinge wie: Prozessor völlig am Anschlag – Lüfter drehen auf Hochtouren – Laptop wird zwar geladen, aber nicht schnell genug, weshalb die Batteriekapazität während des Livestreams gegen 1% sinkt – stockende Videoausgabe in Programmen wie OBS oder Wirecast...
Wenn jemand mit seiner Arbeit überlastet ist, hilft es, die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen. Dasselbe gilt beim Streamen.
Viele Probleme entstehen, wenn man einem einzigen Rechner oder einer einzigen App zu viel Arbeit zumutet. Ein Beispiel: Programme wie OBS, Vmix oder Wirecast Pro. Diese Apps sind eine tolle Sache, aber je mehr Aufgaben eine solche Software erledigen muss, desto mehr Computerleistung benötigt sie. Wer also auf einem einzigen Rechner mehrere Kameraquellen mischen will, die alle über HDMI-USB-Converter reinkommen, muss sich gut überlegen, ob auch genügend Leistung dafür zur Verfügung steht. Vor allem, wenn dann innerhalb der App auch noch Grafiken, Einspieler, externe Quellen, Musik oder Games integriert werden. Und wenn dann derselbe Rechner auch noch für das Encoding zuständig ist, also die Ausgabe des gemischten Live-Videos auf Plattformen wie YouTube, dann wird es brenzlig.
Oft ist man sich dessen nicht bewusst, weil beim Testen des Setups alles rund läuft. Das tut es auch, wenn man beim Testen nicht auch gleich einen Teststream unter realen Bedingungen macht. Dies ist extrem wichtig: Beim Zusammenstellen und testen des Streaming-Setups muss unbedingt via Encoder ein bewegtes Bild mit Ton auf die Streamingplattform gesendet werden. Erst wenn alle Glieder innerhalb der Workflow-Kette richtig viel zu tun haben, kann beurteilt werden, ob genügend Leistung da ist.
Generell empfehlen wir aber, die wichtigen und intensiven Jobs innerhalb eines Livestream-Workflows auf verschiedene Hardware-Geräte zu verteilen. So toll es ist, alles innerhalb Apps wie OBS machen zu können: Es kann zu massiven Pannen führen. Wenn wir zum Beispiel mit der Software Wirecast Pro arbeiten, mischen wir darin nur die Bildquellen, Grafiken und allenfalls Einspieler. Das gemischte Live-Video senden wir dann via Thunderbolt 3 an ein Gerät wie Blackmagic Ultrastudio, von dort aus geht es via SDI in einen Hardware-Encoder (Blackmagic Web Presenter), der dann nur für das Encoding zuständig ist und das Signal zu YouTube schickt. Das mag sehr umständlich aussehen, verteilt aber die Last auf mehrere Schultern.
Dann die Sache mit USB-C beziehungsweise Thunderbolt 3: So schön es ist, alles über ein einziges Kabel laufen zu lassen: Im Livestreaming ist dies ein No-Go. Richtige Desktop-Computer sind hier besser geeignet, da sie dedizierte Anschlüsse wie Ethernet, HDMI, etc. eingebaut haben. Zudem kann man sie erweitern mit Blackmagic-Decklink-Karten und ähnlichem. Wenn es allerdings trotzdem ein Laptop sein soll, dann einen mit ausreichenden Leistungsreserven und Anschlussmöglichkeiten.

Wir arbeiten neuerdings mit einem Apple MacBook Pro mit M1 Max Chip. Die Leistung ist mehr als ausreichend. Zudem haben die neuen MacBooks endlich wieder einen eigenen Netz-Connector und ein starkes Netzteil, sowie einen HDMI-Ausgang für den Multiview-Monitor. Einen der TB3-Ports verbinden wir dann über ein Sonnet Solo 10G mit dem Netzwerk und speisen so die NDI-Kamerasignale ein. Alternative können die Kamerasignale natürlich auch über ein Gerät wie das Blackmagic Ultrastudio Recorder erfasst werden.
Auf einem zweiten Rechner ist dann zum Beispiel YouTube Studio oder Vimeo aufgeschaltet, wo der Stream überwacht wird. Und auf einem iPad läuft über Wifi das gesendete Programm - also so, wie es die Zuschauer:innen sehen. Präsentationen finden dann nochmals auf einem zusätzlichen Rechner statt und werden via HDMI-Out oder NDI in den Bildmischer geleitet. Ebenso allfällige zusätzliche Quellen wie eine Aussenschaltung.
Es lohnt sich, die Last eines Livestreams auf mehrere Schultern zu verteilen. Dies gilt übrigens auch in Sachen Personal: Auch wir dachten am Anfang, dass man so einen Stream ja auch komplett alleine machen kann. Unterdessen sind wir älter, und auch etwas weiser...
Im nächsten Teil geht es dann um Fehler, die rund um Netzwerke entstehen.